Redner, der bei einer geschäftlichen Veranstaltung im Konferenzsaal spricht
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Hilfe bei Suchtproblemen

DHS Fachkonferenz

63. DHS Fachkonferenz 2024 in Essen

Das Thema „Lebenswelten bewegen“ stand im Fokus der 63. DHS Fachkonferenz SUCHT.  Die Veranstaltung mit 212 Teilnehmenden und 48 Referentinnen und Referenten stieß auf sehr großes Interesse und war komplett ausgebucht. Mit Fachvorträgen und Foren bot die Konferenz vom 28. bis 30. Oktober 2024 in Essen ein aktuelles und vielfältiges Programm. Lebenswelten wurden aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und dabei die Risiken für die Entwicklung einer Abhängigkeitserkrankung beleuchtet. Dementsprechend wurden auch Prävention sowie gute Behandlungs- und Beratungsansätze als Möglichkeiten und Chancen in den Lebenswelten thematisiert. Experten und Expertinnen aus Praxis, Wissenschaft und Behandlung gaben in Vorträgen und Foren Einblicke zu Risiken und Lösungsansätzen in den unterschiedlichsten Lebenswelten. Klar wurde: Es gilt, Lebenswelten gesundheitsförderlich zu gestalten - zusammen mit der Politik und den Akteuren innerhalb und außerhalb des Gesundheitswesens.

Sehr gut ausgearbeitete Konzepte, die die Lebenswelten suchtkranker Menschen einbeziehen, gibt es im Kontext von Sozialarbeit in der Sucht / Suchttherapie. Sie tragen maßgeblich zum Verständnis bei, wie Abhängigkeit entsteht, aufrechterhalten und behandelt werden kann. Prof. Dr. Rebekka Streck von der Evangelischen Hochschule Berlin sprach dazu in ihrem Fachvortrag am ersten Veranstaltungstag vom „lebensweltlichen Blick auf die Sucht“. Aus dieser Betrachtungsweise heraus sollen Hilfsangebote passgenau sein und entsprechend mit den Betroffenen abgeklärt werden.

Lebenswelten beeinflussen die Entstehung und Bewältigung von Abhängigkeitserkrankungen, wie Dr. Gallus Bischof (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck) in seinem Vortrag anschaulich darstellte. Je mehr Risikofaktoren ein Mensch ausgesetzt ist und je weniger Schutzfaktoren in seiner Lebenswelt vorhanden sind, umso höher ist die Gefahr der Abhängigkeit. Um die Inanspruchnahme von Hilfen seitens der Betroffenen zu fördern, braucht es den Ausbau von niedrigschwelligen Zugängen und mehr Zieloffenheit in der Beratung und Behandlung. Ein weiterer Baustein ist es, die Arbeit mit Angehörigen zu intensivieren.

Der Einfluss der Lebenswelt wird am Beispiel der Lebenswelt Familie besonders deutlich: „Sämtliche Personen aus dem Umfeld des Süchtigen sind in unterschiedlicher Ausprägung betroffen, besonders die Kinder erleben unter Umständen eine gravierende Beeinträchtigung und Gefährdung ihrer persönlichen Entwicklung“, führte Katharina Prünte vom Institut „Construct“ (Köln) in ihrem Beitrag unter dem Titel „Lebenswelt Familie - Ressourcen- statt Defizitbeschreibung“ aus.

Interessante Einblicke in die potenziellen Suchtrisiken der Lebenswelt Internet bot Prof. Dr. Hans-Jürgen Rumpf (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck) zum Abschluss des ersten Veranstaltungstages.

Prof. Dr. Rainer Hanewinkel (IFT-Nord) erläuterte zu Beginn des zweiten Konferenztages die Zusammenhänge zwischen Lebenswelten und sozialer Ungleichheit. Der Fokus seines Vortrags lag dabei auf „Armut und Rauchen“. Deutlich wurde: Wenig Einkommen geht mit erhöhten Suchtrisiken einher. Im Gegensatz dazu stellte er auch Lebenswelten mit höherem Einkommen und Bildung dar, die niedrigere negative Auswirkungen von Tabakkonsum aufwiesen.

Interessante Impulsvorträge und rege Diskussionen gab es anschließend in den zwölf Foren am zweiten Veranstaltungstag. Viele der Teilnehmenden berichteten hier von eigenen beruflichen Erfahrungen und bereicherten damit den fachlichen Austausch. Besonders gefragt waren die Foren zur digitalen Lebenswelt sowie zu den Lebenswelten Schule, Familie und Beruf.  

Den „Einfluss von Polykrisen auf Lebenswelten“ verdeutlichte Prof. Dr. Klaudia Winkler von der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg am letzten Veranstaltungstag. Dabei griff sie die derzeitige (welt-)politische Lage auf, die gekennzeichnet ist durch zahlreiche Krisen (z. B. Coronapandemie, Krieg in der Ukraine). Diese Situation hat - neben individuellen Lebenskrisen - Auswirkungen auf individuelles und gesellschaftliches Handeln. Die Referentin blieb nicht bei der Beschreibung von Krisen stehen, sondern führte aus, wie wichtig das „ins Handeln“ kommen und „aktiv werden“ für die Krisenbewältigung jede:s Einzelne:n ist.   

Auf dem „Markt der Möglichkeiten“ bot die 63. DHS Fachkonferenz SUCHT an allen drei Tagen Gelegenheit zum Austausch und zur Vernetzung: Zahlreiche Aussteller:innen aus der Sucht-Selbsthilfe und der Suchthilfe waren dort mit ihren Angeboten vertreten.   

Ein Podiumsgespräch zu „Menschen in ihren Lebenswelten – Wechselwirkungen und Veränderungen“ rundete die 63. DHS Fachkonferenz SUCHT ab. Melany Richter (MAGS NRW) moderierte gekonnt zu den Fragestellungen: „Wie sehen Sie den Status quo zu Lebenswelt und Gesundheit?“, „Wie können Lebenswelten positiv gestaltet werden?“ und „Wie kann der Mensch einen Einfluss auf Lebenswelten haben?“ In der Runde sprachen dazu Dr. Jakob Manthey vom Zentrum für interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) der Universität Hamburg, Silke Mohr (Anonyme Alkoholiker) und Pascal Kaps (Einrichtungsleiter des „Haus Raboisen“). Silke Mohr von den AA brachte die persönliche Betroffenensicht ein und benannte individuelle Einstellungen und Haltungen, die Lebenswelten mit beeinflussen. Dabei ging sie auch auf die Bedeutung von persönlicher Entwicklung ein, die es Menschen mit Suchterkrankungen ermöglicht, sich vom Suchtmittel zu lösen. Pascal Kaps betonte die Notwendigkeit, im Hilfesystem passgerechte Angebote für betroffene Menschen zu machen. Beispielsweise dürften für Betroffene, die langjährig suchtkrank sind und die wenig Ressourcen haben, die Hürden für eine Aufnahme in eine Einrichtung nicht zu hoch sein: „Wenn die Lösung schlimmer ist als das Problem, dann läuft was schief“, brachte er seine Sichtweise auf den Punkt. 

Finanziell gefördert wurde die 63. DHS Fachkonferenz SUCHT 2024 durch das Bundesministerium für Gesundheit. Weitere Infos: https://www.dhs-fachkonferenz.de/ Die DHS Fachkonferenz SUCHT 2025 findet voraussichtlich vom 27. bis 29. Oktober 2025 in Potsdam statt.